Darum geht’s

Nach dem Scheitern des Projektes «Altersvorsorge 2020» in der Volksabstimmung 2017 sollten die beiden Säulen der Altersvorsorge getrennt reformiert werden. Die Reform der ersten Säule («AHV 21») wurde mittlerweile von der Stimmbevölkerung angenommen, sie besteht im Wesentlichen aus einer Erhöhung des Frauenrentenalters und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Bei der Reform der zweiten Säule hat der Bundesrat zunächst einen Kompromissvorschlag der Sozialpartner übernommen: Die Finanzierung der beruflichen Vorsorge sollte durch eine Anpassung des Mindestumwandlungssatzes verbessert werden. Um das Rentenniveau zu erhalten und Menschen mit tiefem Einkommen und Teilzeitarbeit – das sind überwiegend Frauen – besser abzusichern, sollte im Gegenzug der Koordinationsabzug halbiert und ein solidarisch finanzierter Rentenzuschlag eingeführt werden. Letzteres wäre auch dringend nötig, denn Frauen haben noch immer nur halb so hohe Pensionskassen-Renten wie die Männer und entsprechend auch ein höheres Armutsrisiko im Alter.

Die GRÜNEN haben diesen Kompromiss über den gesamten parlamentarischen Prozess hinweg mitgetragen – doch die bürgerlichen Parteien wollten davon rasch nichts mehr wissen. Das Parlament hat schlussendlich eine Reform verabschiedet, welche in wesentlichen Punkten vom Sozialpartnerkompromiss abweicht. Insbesondere die Rentenzuschläge, welche die Senkung des Mindestumwandlungssatzes und die seit Jahren sinkenden Pensionskassenrenten hätte kompensieren sollen, wurden massiv zusammengestrichen. Auch von der solidarischen Finanzierung dieser Rentenzuschläge hat sich das Parlament verabschiedet. Übrig geblieben von der ursprünglichen Idee sind v.a. höhere Lohnabzüge und ein tieferer Mindestumwandlungssatz (6 statt 6.8%) – und damit tiefere Renten für viele Versicherte. 

Die bürgerlichen Parteien brechen damit auch ihr Versprechen aus dem Abstimmungskampf zur AHV-Vorlage, die Renten von Teilzeitbeschäftigten, von Menschen mit tiefem Einkommen und von Frauen wirksam zu erhöhen. Stattdessen heisst es nun: mehr bezahlen, weniger Rente! Dagegen wehren wir GRÜNE uns. Und deshalb haben wir auch das Referendum gegen die BVG-Reform von Beginn weg unterstützt. 

Grüne Hauptargumente

Nein zu einer weiteren Senkung der Frauenrenten

Frauen erhalten einen Drittel tiefere Renten als Männer. Während die Frauen den Männern bei der AHV praktisch gleichgestellt sind, ist die Situation in der zweiten Säule besonders prekär: Nur die Hälfte der Frauen erhält überhaupt eine Rente aus der zweiten Säule. Und wenn eine Frau eine Pensionskassenrente erhält, dann ist diese im Durchschnitt nur halb so hoch wie diejenige der Männer. Mehr als jede zehnte Frau muss direkt nach dem Renteneintritt Ergänzungsleistungen beantragen.  

Diese Situation ist unhaltbar. Eigentlich müssten die Renten von Wenigverdienenden und Teilzeitbeschäftigten – v.a. Frauen – endlich erhöht werden, wie dies auch bei der Abstimmung zur Erhöhung des Frauenrentenalters versprochen wurde. Doch davon ist wenig übrig geblieben in dieser Vorlage: Die Rentenzuschläge, welche die geplante Rentensenkung hätten kompensieren sollen, sind viel zu tief. Und aufgrund der strengen Voraussetzungen werden nur wenige Frauen davon profitieren. Viele Frauen werden also trotz höheren Abzügen noch weniger Rente erhalten – und das obwohl das Frauenrentenalter erst gerade erhöht wurde. 

Strukturelle Verbesserungen für die Frauen, wie etwa die Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, fehlen bei dieser Reform übrigens vollständig. Wer also unbezahlte Care-Arbeit leistet, wird dafür auch in Zukunft mit einer tiefen Renten bestraft. Und viele Mehrfachbeschäftige, wie beispielsweise Tagesmütter oder Reinigungsfachfrauen, werden auch mit dieser Reform weiterhin über keine Pensionskassenrenten verfügen. 

Nein zu noch mehr zahlen und noch weniger erhalten

Trotz steigenden Beiträgen sinken die Pensionskassenrenten seit Jahren: Es gibt immer weniger Rente fürs Geld. Mit der BVG-Reform werden die obligatorischen Lohnabzüge nun nochmals steigen, was v.a. Personen mit tiefen Einkommen belastet. Je nach Alter und Einkommen werden die Kosten pro Arbeitnehmer*in um bis zu 2400 Franken jährlich steigen. Und gleichzeitig führt die BVG-Reform wegen der Senkung des Mindestumwandlungssatzes zu happigen Rentensenkungen von bis zu 3’200 Franken pro Jahr. Auch eine Anpassung der Renten an die Teuerung fehlt weiterhin, was Rentner*innen mit der Zeit teuer zu stehen kommt: Mit der heutigen Teuerung verliert die Rente in 20 Jahren über einen Viertel ihres Wertes.  

Nein zur knausrigen Kompensation für ältere Arbeitnehmer*innen

Personen, die kurz vor der Pensionierung stehen, sind besonders von der Rentensenkung betroffen, denn sie können sich – z.B. mit einer Erhöhung des Arbeitspensums – kaum mehr an die neue Situation anpassen. Umso wichtiger wären die grosszügigeren Rentenzuschläge gewesen, welche die Sozialpartner ausgehandelt haben. Doch von diesen ist nicht mehr viel übrig: Nur ein Viertel der Übergangsgeneration wird einen vollen Rentenzuschlag erhalten, die Hälfte der Übergangsgeneration geht vollkommen leer aus. Für Frauen ist die Hürde übrigens besonders hoch: Viele Frauen werden keinen Anspruch auf die Rentenzuschläge haben, weil sie nicht 15 Jahre in einer Pensionskasse versichert waren. 

Nein zur bürgerlichen Arroganz

Bei der beruflichen Vorsorge schien lange möglich, was sonst selten gelingt: Eine erfolgreiche Reform dank einem breit abgestützten Kompromiss zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen. Diese haben gemeinsam eine Reform vorgeschlagen, welche die Finanzierung der Pensionskassen verbessert, die Rentenhöhe erhalten und die soziale Absicherung von Teilzeitangestellten und Menschen mit tiefen Löhnen ausgebaut hätte. Wir GRÜNE haben diesen Vorschlag bis zum Schluss mitgetragen. Doch die bürgerlichen Parteien wollten nichts von einem Kompromiss wissen und haben die BVG-Reform einseitig zu einer teuren Abbauvorlage verunstaltet. Diese bürgerliche Arroganz und Kompromisslosigkeit hat schon bei der dreizehnten AHV-Rente Schiffbruch erlitten – und sie wird es auch bei der BVG-Reform tun.